Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau, 39057 St. Michael, Eppan/St. Michele, Appiano (BZ), Italien. www.beratungsring.org

Eiskalte Gefahr: Spätfrost und seine Folgen für Winzer


Der Frühling ist von vielen die liebste Jahreszeit. Wenn die Natur erwacht und die Tage wieder merklich länger werden, beobachten auch die Winzer in ihren Weinbergen, wie die Reben nach dem Winterschlaf wieder zum Leben erwachen. Doch mit den wärmeren Temperaturen und dem damit verbundenen Austrieb der Reben steigt auch das Risiko von Spätfrösten.
In den letzten Tagen wurden Deutschland und andere europäische Weinbauregionen von unerwarteten Kälteeinbrüchen heimgesucht, die schwere Frostschäden an den Reben verursacht haben. Diese Wetterereignisse sind eine Herausforderung, mit denen Winzer jedes Jahr konfrontiert werden können. Die Auswirkungen von Spätfrösten auf Weinberge können verheerend sein, zu Ernteverlusten bis hin zum totalen Ernteausfall führen. Die jüngsten Frühjahrsfröste sind ein drastisches Beispiel dafür, wie unvorhersehbare Naturphänomene die Weinproduktion beeinflussen können. In diesem Blogbeitrag werden wir näher auf Spätfröste im Weinbau eingehen, ihre Auswirkungen auf die Weinproduktion sowie mögliche Schutzmaßnahmen betrachten. 

Die Bedrohung durch Spätfrost 

Spätfrost im Weinbau bezeichnet das Auftreten von Frosttemperaturen während des sogenannten Schwellens der Knospen (‚Wollstadium‘) oder nach dem Austrieb der jungen Triebe im Frühjahr. Die Knospen im Wollstadium signalisieren den Beginn des vegetativen Wachstums und sind sehr anfällig für Schäden durch Spätfröste im Frühjahr. Aus ihnen wachsen die empfindlichen jungen Triebe, die auch Fruchtruten genannt werden und tragen das zukünftige Ertragspotential der Rebe - an ihnen werden im Sommer die Trauben hängen! Diese grünen Triebe sind noch nicht ausreichend verholzt sind, um vor niedrigen Temperaturen geschützt zu sein. Je nach Intensität und Dauer der Frostperiode lässt die Kälte also die Zellsäfte in den Pflanzengeweben gefrieren, was zu Zellschäden führt und die Funktionsfähigkeit der Knospen oder Triebe beeinträchtigt. So kann es sein, dass diese nach einem Kälteschaden komplett absterben oder aber in ihrer Entwicklung stark verzögert sind, was wiederum die Bildung von Blüten und Frauchtansätzen beeinträchtigt. 

Reaktion der Rebe auf Frostschäden 

Nach einem Frostereignis können die betroffenen Reben noch einmal neu aus den sogenannten schlafenden Nebenaugen bzw. Beiaugen austreiben. Im Normalfall treibt nur das Hauptauge, doch wird dieses oder der daraus gewachsene Trieb geschädigt, sind die schlafenden Nebenaugen eine Art Sicherheitsnetz für die Rebe. Allerdings ist der Ertrag aus diesen Nebenaugen in der Regel nicht so hoch wie aus dem Hauptauge. Wenn die Frostschäden besonders schwerwiegend sind und das Hauptauge sowie die schlafenden Nebenaugen stark beschädigt sind, kann es vorkommen, dass die Rebe sogar erst im nächsten Jahr wieder austreibt oder auch komplett abgestorben ist und der Rebstock komplett ersetzt werden muss. 

Ursachen von Spätfrost 

Spätfrost im Weinbau wird durch verschiedene meteorologische Bedingungen verursacht, die zu ungewöhnlich kalten Temperaturen im Frühjahr führen können:
  • Strahlungsfrost: Von Strahlungsfrost redet man, wenn die Erdoberfläche Wärme abstrahlt und die Luft in Bodennähe abkühlt. Strahlungsfrost tritt oft in Verbindung mit einer sogenannten Inversionswetterlage auf. Diese tritt auf, wenn warme Luft über kalter liegt und die Temperatur nicht wie üblicherweise mit zunehmender Höhe abnimmt. Wenn sich eine Inversion bildet, kann das dazu führen, dass die Temperatur nahe am Boden unter dem Gefrierpunkt bleibt und für die empfindlichen Knospen und Triebe das Risiko von Frostschäden steigt. Die Luftschichtung ist dabei stabil und es ist nicht möglich, dass warme Luftmassen nach unten sinken, um den Boden aufzuwärmen. Inversionswetterlagen treten häufig in klaren, windstillen Nächten auf und begünstigen die Bildung von Frost in den Weinbergen, insbesondere in Senken und Staulagen.
  • Strömungsfrost: Im Gegensatz zum Strahlungsfrost kann Strömungsfrost auftreten, wenn kalte Luftmassen in die Weinberge strömen. Dies geschieht häufig bei klaren, windigen Nächten, wenn kalte Luft aus dem Norden oder Nordosten in die Weinregionen gelangt.

April und Mai sind typische Monate für das Auftreten von Spätfrost im Weinbau, da zu dieser Zeit Leben in die Reben zurückgekehrt ist. Je milder das Frühjahrswetter, desto früher treiben die Reben. Jedoch kann ein plötzlicher Kälteeinbruch die empfindlichen Knospen und jungen Triebe gefährden und zu schwerwiegenden Frostschäden führen. 

Strategien zum Schutz vor Spätfrost 

Um ihre Weinberge vor den schädlichen Auswirkungen von Spätfrost zu schützen, wenden Winzer eine Vielzahl von Methoden und Techniken an. 
Eine bewährte Methode ist das Kurzhalten des Bodenbewuchses. Durch das regelmäßige Mähen oder Abflammen des Bewuchses wird verhindert, dass sich Kälte in den Rebenzeilen staut und die grünen Rebteile erreicht. 
Eine weitere Möglichkeit ist die Frostschutzberegnung, bei der die Weinberge mit Wasser beregnet werden. Dies ist wirksam sowohl bei Strahlungsfrost als auch Strömungsfrost und kann die Blütenknospen je nach Rebsorte und Entwicklungsstadium bis zu -6 Grad Celsius schützen. Die dabei entstehende Erstarrungswärme, die beim Gefrieren des Wassers freigesetzt wird, schützt vor Frostschäden. Zusätzlich kann der feuchte Boden tagsüber mehr Wärme speichern und nachts an die Luft abgeben, was einen doppelten Schutzeffekt bietet. Allerdings erfordert die Beregnung eine einmalige Investition und ist wartungsintensiv. 
Eine einfachere Möglichkeit sind Frostschutzkerzen, die in den Weinbergen aufgestellt werden, um die Lufttemperatur in den Rebenzeilen zu erhöhen. Allerdings ist diese Methode teuer und arbeitsintensiv, da pro Hektar etwa 100 Kerzen benötigt werden, was ein Kostenpunkt um die 6.000 EUR bedeutet. 
Der Einsatz von Hubschraubern ist eine weitere Strategie, um die Weinberge vor Spätfrost zu schützen. Durch das Überfliegen der Weinberge können kalte und warme Luftschichten verwirbelt werden, was die Temperaturen ausgleicht und Frostschäden verhindert. Diese Methode ist besonders effektiv bei Strahlungsfrost, erfordert jedoch einen hohen finanziellen Aufwand und ist von der Verfügbarkeit von Hubschraubern und Piloten abhängig. 
Frostschutzkerzen und der Einsatz von Hubschraubern sind zuverlässige Strategien, um Schäden durch Spätfrost abzuwehren. Die Frostschutzberegnung kann ebenfalls wirksam sein, erfordert jedoch eine einmalige Investition und ist wartungsintensiv. Das Kurzhalten des Bodenbewuchses ist eine kostengünstige und effektive Methode, um die Anlage vor Frost zu schützen. 
Neben diesen bewährten Methoden wird auch kontinuierlich an weiteren Techniken und Verfahren gearbeitet und auch an der Entwicklung frostresistenter Rebsorten geforscht, die besser gegen Kälteperioden im Frühjahr gewappnet sind. Denn auch in den kommenden Jahren wird das Thema Frostschutz im Weinbau angesichts des Klimawandels und des damit zunehmenden Risikos von Spätfrosten eine zentrale Rolle spielen.